Bei der Suche nach neuen Praxisflächen für die Zahnarzt- oder Arztpraxis ist der Blick darauf zu richten, ob Patienten die Praxisräume barrierefrei erreichen können.
Praxisstandort.de besichtigt regelmäßig Immobilien und prüft diese auf ihre Eignung zum künftigen PraxisStandort. Die Mehrheit der untersuchten Büro-/Praxisflächen sind im Sinne der notwendigen Barrierefreiheit für medizinische Einrichtungen ungeeignet.
Für die Klassifizierung „Praxisfläche“ müssen die baulichen oder technischen Gegebenheiten vorhanden sein, oder nachrüstbar sein. Am häufigsten führen Treppen als einzige vertikale Verbindung zur nächsten Ebene und geringe lichte Durchgangsbreite von Eingangstüren oder Aufzügen für Hindernisse. Rampen oder Aufzüge lassen sich in der Regel konstruktiv und wirtschaftlich nicht beliebig nachrüsten. Eine technische, wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit oder Auflagen des Denkmalschutzes rechtfertigen keine Ausnahmeregelung, sondern sind der Beleg dafür, dass das Objekt für einen barrierefreien Praxsibetrieb ungeeignet ist.
Mediziner: „Ich bin mit meiner bisherigen Praxis auch nicht auf Rollstuhlfahrer spezialisiert. Für die 4-5 Patienten im Jahr, betreibe ich doch nicht solch einen finanziellen Mehraufwand. Das können doch Kollegen mit entsprechenden barrierefreien Praxen machen.“
Doch wie kommt es zu solchen hohen Anforderungen an die Barrierefreiheit in medizinischen Einrichtungen?
Am 3. Mai 2008 ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Kraft getreten. Die UN-Behindertenrechtskonvention hat zum Ziel, Barrieren zu beseitigen. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, basierend auf Artikel 3, Abs. 3, Satz 2: „…… Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“. Die Botschaft richtet sich auch an das Gesundheitswesen und verfolgt das Ziel, einen gleichberechtigten Zugang zur medizinischen Versorgung herzustellen.
Mediziner: „Die UN wird doch nicht meine Praxisräume daraufhin überprüfen! Das ist nun wirklich eine völlig überzogene Paragraphenreiterei. Ich kann ihnen sofort fünf Praxen in im näheren Umfeld nennen, welche nicht im Ansatz barrierefrei sind.“
Einrichtungen des Gesundheitswesens gelten als öffentlich zugängliche Bereiche. In der Musterbauordnung § 50 Barrierefreies Bauen Abs. (2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein. Dies gilt insbesondere für Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Dies wurde in der Vergangenheit oftmals missachtet. Besonders in den neuen Bundesländern wurde in den 90ern auf Grund des Mangels an geeigneten Praxisflächen geduldet. So fällt es nicht schwer, eine benachbarte Arztpraxis als negatives Beispiel und somit als vermeintliche Legitimierung aufzuzeigen.
Lediglich 36% der Arztpraxen in Deutschland weisen Merkmale von Barrierefreiheit auf.
„Für Patienten mit Behinderungen wird die medizinische Versorgung häufig zum Problem, weil die meisten Arztpraxen nicht barrierefrei sind. Das Bundesarztregister weist aktuell insgesamt gut 132 000 Praxisstandorte in Deutschland aus von denen lediglich 36% behindertengerechte Merkmale aufweisen.“
Quelle: Saarbrücker Zeitung – Großteil der Arztpraxen nicht barrierefrei
Mediziner: „Dies macht die Suche nach geeigneten barrierefrei zugänglichen Praxisflächen nicht einfacher und bedeutet, dass favorisierte Praxisfläche überhaupt tatsächlich nicht geeignet ist, obwohl mir bereits die Zusage vom Vermieter vorliegt. Das würde bedeuten, dass mein erfahrener Immobilienfachmann davon auch nichts weiß?!“
Ja und ja. Geeignete Flächen zu finden ist nicht nur in Hinblick auf die Barrierefreiheit schwierig. Auch die freie Planbarkeit, der Tageslichtanteil und notwendige Be- und Entlüftung innenliegender Arbeitsräume lassen so manchen Wunschstandort von Grund auf nicht zu. Bei der Inserierung von Büro-/Praxisflächen auf Immobilienportalen gibt es keine Kontrollinstanz welche die Objekte auf ihre baurechtliche Eignung untersucht.
Der barrierefreie Zugang zu Arztpraxen ist in den jeweiligen Landesbauordnungen (LBO) der Bundesländer geregelt und unterscheidet sich nicht von der übergeordneten Musterbauordnung.
Bei Neubauten wird im Zuge des Bauantrages und somit anhand der jeweiligen Landesbauordnungen die Planung und Umsetzung geprüft. Bei Umbauten innerhalb bestehender Gebäude handelt es sich in der Regel um eine Umnutzung, wie Beispielsweise von Büronutzung in eine neu Praxisfläche. Damit wird automatisch ein Bauantrag auf Nutzungsänderung notwendig, der gleichermaßen die Umsetzung und Einhaltung der DIN 18040-1 Barrierefreies Bauen beinhaltet. Dabei ist grundlegend vorgesehen, dass bei Neubauten/ Umbauten die Praxen ohne Barrieren erreichbar sein müssen.
Mediziner: „Dann muss ich mir doch ernsthaft überlegen, ob ich unter diesen Umständen meine bisherigen nicht barrierefreien Praxisräume weiter Nutze und auf meinen „Bestandsschutz“ baue.“
Bestand schützt nicht unbedingt, gerade wenn die bisherige Praxisnutzung nie baurechtlich genehmigt wurde oder die Praxisräume grundlegen modernisiert und baulich verändert werden. Informieren Sie sich deshalb beim Vermieter nach der vorliegenden Baugenehmigung, auch wenn diese schon 20 Jahre alt ist.